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Colonia, Punta del Este & Punta del Diablo

18. – 26. März 2012

 

Wir überqueren in gemächlichem Tempo mit der Fähre, die einer übergrossen Kaffeetasse gleicht, den milchkaffeebraunen Río de la Plata. Lehmiger Schlamm, den der Fluss mit sich führt, ist der Grund für die trübe Färbung. Eigentlich bedeutet sein Name Silberfluss und ist hier 50 Kilometer breit. Er ist der Mündungstrichter der grossen südamerikanischen Ströme Paraná und Uruguay. Vom Wasser aus geniessen wir die Sicht auf den Stadtrand und die Skyline von Buenos Aires. Mit der Überfahrt haben wir zugleich die Landesgrenze überquert und stranden auf der anderen Seite in Uruguay. Vor rund 400 Jahren war das Land über längere Zeit Spielball zwischen den Kolonialmächten Spanien und Portugal. Auf der Landkarte wirkt der kleinste spanischsprachige Staat Südamerikas, der doch gut viermal so gross ist wie die Schweiz, zwischen den beiden Riesen Argentinien und Brasilien etwas eingeklemmt. Im 19. Jahrhundert versuchten beide Nachbarn erfolglos Uruguay zu annektieren. Wie um diesbezüglich einen positiven Punkt setzen und Reisende davon überzeugen zu wollen, dass die beiden Staaten heute friedlich nebeneinander existieren, klappt der Grenzübertritt vor Abfahrt der Fähre so einfach wie noch nie. Noch auf der argentinischen Seite sitzen im selben Kabäuschen ein argentinischer und ein uruguayischer Grenzbeamter und erledigen, Stempel runter zack-zack, Aus- und Einreise in 20 Sekunden.

Auf der anderen Flussseite landen wir gegenüber von Buenos Aires im herzigen Städtchen Colonia del Sacramento. Es gehört unterdessen zum UNESCO Weltkulturerbe und verzaubert uns mit seinen zahlreichen schmucken Gassen mit Kopfsteinpflaster, seinem Leuchtturm, den Steinhäusern mit farbigen Fassaden und einem glutroten Sonnenuntergang.

Bereits in Argentinien haben wir das Nationalgetränk Mate kennengelernt. Es ist ein etwas bitterer Tee aus einem Stechpalmengewächs, der mit einem metallenen Röhrchen aus einem Becher aus Kürbisholz geschlürft wird. Dabei wird heisses Wasser aus einer Thermosflasche in den bis zum Rand mit hierba mate gefüllten Becher nachgeschüttet, bis die Portion Kräuter nicht mehr brauchbar ist. In Uruguay wird, wie wir gelesen haben, sogar noch mehr davon konsumiert als in Argentinien. Ob Buschauffeur, Mädchen im Spielgruppenalter, cooler Surfer mit Board oder altes Ehepaar am Strand: ungefähr jeder dritte Einheimische trägt den typischen Becher mit sich herum, die Thermosflasche unter den Arm geklemmt – oft ein köstliches Bild!

Am folgenden Tag reisen wir mit dem Bus ins Monaco von Uruguay nach Punta del Este. Unterdessen ist hier mit Beginn des Herbstes Nebensaison und der recht noble Bade- und Ferienort mit seinem grossen Bootshafen ist ziemlich ausgestorben. Eine eher bescheidene Touristenattraktion ist die überdimensionale, am Sandstrand vergrabene Hand aus Beton, bei der nur die Finger hervorschauen und gegen den Himmel zeigen. Genug von geschlossenen Restaurants, leeren Strassen und Stränden und der ein wenig geisterhaften Stimmung in der Stadt, reisen wir zwei Tage später der Küste entlang weiter. Die Landschaft leuchtet im satten Grün von weiten Grasebenen und kleinen Waldflächen. Zwischendurch wächst immer mal wieder eine etwas verloren wirkende Palme.

Wir lassen die Hauptstadt Montevideo links liegen und erreichen, nachdem wir in zwei Etappen die ganze Atlantikküste Uruguays abgefahren haben, den verschlafenen Ort Punta del Diablo.
 Meer und Strand sind schön, das Wetter zwar etwas wechselhaft, doch wir bleiben ein paar Tage hier. Es dauert nicht lange und wir realisieren, dass wir in diesem Ort etwas feststecken. Der Plan war, am übernächsten Tag in Etappen der Küste entlang weiter nach Brasilien und bis nach Rio de Janeiro zu reisen. Doch sind die Busverbindungen mit Abfahrtszeiten um Mitternacht und langen Umsteigezeiten schlecht und der Grenzübertritt diesmal wieder langwierig. Darum entscheiden wir uns kurzerhand unser Reiseprogramm etwas anzupassen und hier ein paar zusätzliche „Budgettage „einzuschieben. Statt einen grossen Teil des südlichen Zipfels von Brasilien zu erkunden, bleiben nur Rio de Janeiro und die Iguazú Wasserfälle auf dem brasilianischen Reiseprogramm bestehen. So bleibt dafür Zeit, um bis Ende April den Nordwesten von Argentinien zu bereisen.

In Punta del Diablo geniessen wir Meer, Strand und Sonne und fahren fünf Tage später mit dem Bus nach Montevideo zurück. Hier bleiben wir bloss einen Tag und sehen deshalb nicht viel von der Umgebung. Aus unserer Sicht ist die Hauptstadt Uruguays verglichen mit Santiago und Buenos Aires weniger sehenswert. Die Küstenstadt wirkt heruntergekommener, ohne viel Charme und etwas düster. Dass hier der Atlantik dunkelbraune Wellen an den Strand und gegen die Hafenmauer rollt, trägt nicht wirklich zu einem positiven Stadtbild bei.

Am Folgetag steigen wir ins Flugzeug, welches die Distanz bis nach Rio de Janeiro überwindet.
 Ein bisschen Brasilien steht als Nächstes auf dem Programm!

Fotos Uruguay

 

Rio de Janeiro & Cataratas del Iguazú

27. März – 4. April 2012

 

Erst suchen wir vergeblich Wochen im Voraus in unzähligen Buchhandlungen nach dem Reiseführer für Brasilien oder Rio. Ein für uns bezahlbares Doppelzimmer ist in der Hauptstadt des Carnevals nicht zu finden und so werden wir die fünf folgenden Nächte in einem 4er, bzw. 6er Schlag verbringen. Die Wetteraussichten zeigen sich vor und nach unserem Aufenthalt von der sonnigen Seite, dazwischen allerdings weniger. Deshalb hält sich die Vorfreude für einmal etwas in Grenzen und wir stapeln puncto Erwartungen tief.

Am 27. März fliegen wir um die Mittagszeit von Montevideo mit Umsteigen in Sāo Paulo nach Rio de Janeiro. Erste positive Feststellung nach der Landung: Hier ist es nach dem kühlen und windigen Montevideo wunderbar warm!
 Rio gehört nicht zu den sichersten Pflastern Südamerikas und wir schnappen uns ein Taxi, das uns zum Hostal im Stadtteil Santa Teresa bringt. Die als Künstlerviertel bekannte Umgebung liegt etwas erhöht und ist zum grossen Teil an einen der vielen Hügel gebaut, die aus der Stadt ragen. Vom Zentrum führen Geleise einer Strassenbahn in dieses Viertel hinauf. Wie wir erfahren, fährt das nostalgische Tram Bonde seit einem Unfall nicht mehr und die Anwohner warten sehnlichst auf den in Aussicht gestellten Nachfolger.

Nach der Taxifahrt können wir festhalten: Bei der Reise von Chile über Argentinien und Uruguay nach Brasilien wird der Sprachklang zunehmend weicher, die Währung (mit Ausnahme von Uruguay) dagegen immer härter und das Leben zusehends teurer. 
Das brasilianische Portugiesisch klingt für mich mit seinen vielen itsch-Endungen nach einem slawischen Spanisch und wird vermutlich nie zu meinen Sprachfavoriten gehören:).

Das Hostal ist wunderbar und unser Zimmer in Ordnung, hingegen zeigt sich das Wetter in den ersten beiden Tage tatsächlich von seiner launischen Seite. 
Doch Stadtbummel mit Window-shopping und Cafébesuch funktioniert auch bei Regen. Wir spüren schnell, dass in Rio, verglichen mit Santiago oder Buenos Aires, ein anderer Vibe herrscht. Wären die drei Städte Schwestern, so ist Rio die hitzigere, etwas chaotischere und ungepflegtere kleine Schwester der andern beiden. Viele ihrer Bewohner dagegen sind sehr auf ihr Äusseres bedacht. Sie achten stets auf eine (un-)gesunde Körperbräune, genügend volle Lippen und einen rechten Bizepsumfang. Solche Bilder kontrastieren stark zur deutlich sichtbaren Armut. Wir sehen viele Obdachlose und Menschen, die im Abfall nach etwas Essbarem suchen.

Als sich das Wetter etwas bessert, unternehmen wir am dritten Tag eine Citytour, bei der uns der erste Stopp schlicht den Atem raubt. Beim bekannten Postkartensujet des monumentalen 30 Meter hohen Cristo Redentor, der mit ausgebreiteten Armen auf einem Bergmupf etwa 700 Meter über der Stadt wacht, und an und für sich schon sehr eindrücklich ist, ist der Blick auf die Stadt einzigartig. Die verschiedenen Stadtteile liegen eingebettet zwischen urwaldbewachsenen Hügeln, zahlreiche grüne (Halb-)inseln liegen vorgelagert draussen im Meer und wunderschöne, langgezogene Sandstrände trennen Meer und Stadt an vielen Orten voneinander. Es ist einfach nur WOW! und fühlt sich an, als spielten wir das Computerspiel SimCity und müssten entscheiden, wo wir als nächstes eine neue Wasserleitung und Strom verlegen, damit unsere Stadt weiter gedeiht. Anschliessend steht ein kurzer Besuch im Quartier Santa Teresa an, wo wir die Gelegenheit beim Schopf packen und zu Livemusik in Rekordtempo zu zwei Caipirinhas eine Portion Humus mit Fritten verdrücken. Gestärkt und etwas angeheitert bewundern wir kurz darauf das ursprünglich illegal entstandene Werk eines chilenischen Künstlers. Es besteht aus einer mit unzähligen farbenfrohen Kacheln verzierten Treppe. Viele dieser Kacheln hat er in der ganzen Welt gesammelt und schier unglaublich aber wahr: auch solche aus der Schweiz, mit dem Matterhorn oder einem traditionellen schwarzweissen Scherenschnitt aus dem Kanton Appenzell drauf, finden sich darunter.

Als es dunkel wird, bringt uns eine Gondel aus heimatländischer Produktion auf den Pão de Açúcar – den Zuckerhut. Mystisch ziehen Nebelschwaden zwischen den Hügeln vorbei und verdecken teilweise die Sicht auf das zunehmend stärker funkelnde Lichtermeer der Millionenstadt.
Den letzten Tag verbringen wir bei unterdessen sehr sonnigem Wetter wie viele Anwohner auch. Wir mieten uns ein Fahrrad, radeln entlang des Strandabschnitts Ipanema und Copacabana und umrunden einen See, der mitten in der Stadt liegt. Mit uns sind Tausende andere auf zwei, drei oder mehr Rollen und Rädern unterwegs. Die Szenerie erinnert ein wenig an den SlowUp!, der einmal im Jahr entlang des Zürichsees stattfindet – hier sieht es vermutlich jeden Sonntag so aus. A
ls Schlusspunkt legen wir uns nach einer Abkühlung im Meer an den weltbekannten Sandstrand Copacabana und geniessen die ausgelassene Stimmung um uns herum. Insgesamt gefällt uns Rio mit seiner unvergleichlichen Lage, der Umgebung und der tollen Stimmung sehr gut. Ein Wehrmutstropfen ist allerdings das ungute Gefühl der nicht sehr hohen Sicherheit, das uns oft begleitet. Die Kamera muss an vielen Ecken im Rucksack oder gar ganz im Hostal zurück bleiben.

Am frühen Abend steht der Weiterflug zu den Iguazú-Wasserfällen auf dem Programm. Im Länderdreieck von Brasilien, Argentinien und Paraguay stürzen auf einer Ausdehnung von insgesamt 2.7 Kilometern bis zu 7000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in die Tiefe. Es sind die mächtigsten Wasserfälle der Welt. Diese können von der brasilianischen, wo man einen besseren Panoramablick hat, und von der argentinischen, bei der man ehrfürchtig und nah über dem donnernden Teufelsschlund Gargante del Diablo steht, Seite her bestaunt werden. Die Wasserfälle liegen in je einem Nationalpark der beiden Länder, die mit einer gewaltigen Infrastruktur eine touristische Grossattraktion und einen Haufen Geld daraus machen. Nichtsdestotrotz sind die immense Ausdehnung und die herabstürzenden Wassermassen sehr eindrücklich und es lassen sich wunderschöne Anblicke dieser gewaltigen Natur geniessen!

 

Fotos Rio de Janeiro & Iguazú

Details zur Route

 

 

 

1 comment

  1. Paddy 31. März 2012 at 12:59

    Hey ihr zwei, toller Bericht aus Uruguay. Und das euch BA so gut gefallen hat, freut mich sehr. Wünsche euch weiterhin wunderbare Reise. Take care!

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