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Córdoba & Mendoza

20. – 28. April 2012

 

Direkt über uns scherbelt der Ton eines eher fragwürdigen Action-Streifens in voller Lautstärke aus dem Lautsprecher. Hinter uns hat ein kleines Kind, das von einer zu jungen Mutter und der Grossmutter abwechselnd gehalten wird, immer wieder eine Schreiphase. Und um uns herum herrschen Kühlschranktemperaturen – die Klimaanlage läuft auf vollen Touren. Ja, wir befinden uns wieder einmal auf einer Busfahrt. 14 Stunden durch die Nacht von Salta nach Córdoba und es ist kein Schleck. Die umgebende Landschaft der Pampinen Sierren, eine Reihe von Gebirgszügen, wird rasch von der Dunkelheit verschluckt und wir sehen leider nichts davon. Alles läuft zum Glück glatt und wir erreichen am frühen Morgen des 21. Aprils unser zweitletztes Reiseziel in Argentinien.

Córdoba liegt ziemlich genau im Herzen des Landes und wird im Volksmund wegen einigen wichtigen Universitäten auch als La Docta („die Gelehrte“) bezeichnet. Tatsächlich wuseln viele Studenten durch die Strassen und an zahlreichen schönen und guterhaltenen Bauten aus der Kolonialzeit vorbei. Vom Reiseführer hoch gelobt, sind wir von dieser Stadt aber eher etwas enttäuscht. Auch das meistens nasse und kühle Wetter lädt nicht gerade zu weitläufigen Entdeckungstouren ein und so machen wir das, was wir zu Hause vielleicht auch machen würden: Wir gehen ins Kino und, des vielen miesen Brots leid, suchen alle Zutaten zusammen und backen im Hostal einen Zopf. Erstaunte bis neidische Blicke fallen auf unser Teiggeflecht, das nach einer Dreiviertelstunde im Gasofen ohne Temperaturanzeige die Küche mit einem Heimweh auslösenden Duft füllt. So vergehen drei ziemlich faule Tage, wobei wir die eindrücklichen Bilder des Nordwestens, die wir letzte Woche gesammelt haben, etwas setzen lassen können.

Durch unendlich weites und flaches Weideland, dort wo sich John Deere und Deutz gute Nacht sagen, fahren wir Richtung Südwesten in die Weinregion Mendoza. Die Stadt mit demselben Namen gleicht einer Oase, denn rundherum ist alles trocken und jede Grünfläche muss hier bewässert werden. Mendoza liegt am Fuss der Andenkordillere und ist sozusagen Quelle unseres Lieblingsweins Malbec. Ein Blick auf die Wetterprognosen lässt uns die Zähne knirschen… In genau den drei Tagen unseres Hierseins soll es regnerisch werden und die Temperaturen von rund 20 auf etwa 8 Grad fallen. Uns kommen Mütze, Handschuhe und die wärmende Jackenschicht in den Sinn, die wir vor ein paar Wochen nach Hause geschickt haben. Zeit ausnützen heisst drum die Devise und so mieten wir gleich am nächsten Morgen ein Tandem und besuchen ein Weingut und eine Olivenölfarm. Die Führungen sind lehrreich und die anschliessenden Degustationen köstlich! Kaum haben wir unseren verlängerten Drahtesel zurückgegeben, beginnen sich die Wetteraussichten zu bewahrheiten und wir bekommen den nahenden Winter zu spüren. Wir suchen nach Wärme und werden fündig. Eine gute Stunde ausserhalb von Mendoza liegen die Termas Cacheuta. Dort frönen die Argentinier aus der Umgebung und wir dem Wellnessen auf südamerikanisch. Duschen gibt’s es keine, Umziehgelegenheiten und Wasserbecken sind einen rechten Tick schmuddeliger als wie gewohnt. Ein Erlebnis, vielleicht gerade darum, wird es trotzdem.

Langsam aber sicher neigt sich unsere Zeit in Argentinien ihrem Ende zu. Über die Anden und die Passhöhe Los Libertadoresführt unsere letzte Busstrecke zurück nach Santiago de Chile. Santiago – Bogotá ist der nächste Streckenabschnitt mit unserem Around the World Flugticket. Im Lonely Planet davor gewarnt und von uns befürchtet: Beim Bus-Terminal wird uns erklärt, dass die Passstrasse nach Chile wegen Schneefalls bis auf Weiteres gesperrt ist. Einen Puffertag, bevor unser Flug nach Kolumbien geht, haben wir zwar eingeplant, doch wird das reichen? Prognosen werden von der Busgesellschaft keine abgegeben und uns bleibt nur übrig, am nächsten Tag mit allem Gepäck zur ursprünglichen Abfahrtszeit aufzukreuzen und dann zu erfahren, ob es los geht oder nicht. Es scheinen weniger Gestrandete in den Warteräumen zu sitzen als am Tag zuvor und tatsächlich, wir können unser Dusel kaum fassen, mit einer halben Stunde Verspätung geht es los! Ganz so flott kommen wir dann allerdings nicht voran. Nach zwei Stunden Fahrt stoppt der Bus auf einem immens grossen Parkplatz, der voller Lastwagen, PW’s und Bussen ist. Uns wird klar, dass der Pass noch gar nicht wiedergeöffnet wurde. Wir nehmen es gelassen, schliesslich haben wir damit gerechnet, heute gar nicht mehr von Mendoza wegzukommen. Eine Stunde später kommt Bewegung in die träge Blechmasse und alles scheint zur gleichen Zeit losfahren zu wollen. Auch unser Busfahrer tritt aufs Gas und überholt so viele langsamere Fahrzeuge wie möglich. Wenig später wird uns auch klar weshalb. Wir erreichen auf der Passhöhe den Grenzübergang, vor dem sich aufgrund der Großen Anzahl Fahrzeuge, die beim Parkplatz alle gleichzeitig losfuhren, eine lange Schlange gebildet hat. Rundherum ist es tiefer Winter und es bläst ein eisiger Wind. Eine Buslänge pro halbe Stunde geht es vorwärts und so dauert es fünf Stunden, bis die Fahrt auf der chilenischen Seite nach Abwicklung aller Zollformalitäten weitergeht. Jeder Reisebus wird komplett geleert und untersucht, jeder Passagier und jedes Gepäckstück kontrolliert.

Ziemlich müde erreichen wir am späten Abend den Busbahnhof in Santiago – unser Ausgangsort vor viereinhalb Monaten für die Entdeckung von viel Chile und Argentinien und ein wenig Uruguay und Brasilien. Wir fühlen uns ein bisschen wie Heimgekehrte und sind dankbar, dass auf den Tausenden von Strassenkilometern nichts passiert ist.

Vom Cerro San Cristóbal aus geniessen wir bei herrlichem Wetter die eindrückliche Aussicht auf die Stadt und die Bergkulisse der Andenkette. Dass ich beim Besuch auf der Schweizer Botschaft meinen neuen biometrischen Pass, der im Dreieck von Buenos Aires über Bern nach Santiago gereist ist, entgegennehmen kann, wird fast zur Nebensache. Viel Spannender ist die Vorstellung eines jungen Schweizers und seiner offenbar erst kürzlich kennengelernten chilenischen Freundin. Sie erklären dem Botschafter, dass sie kurzfristig und halsüberkopf bis in fünf Tagen verheiratet sein möchten. Dann muss nämlich er wieder in die Schweiz zurück reisen. Ganz so überzeugt von der Sache wirken die beiden allerdings nicht…

Zu Beginn des südamerikanischen Sommers Ende 2011 sind wir, von der Osterinsel her kommend, in Chile gelandet. Unterdessen ist der Winter im Anzug und die Weiterreise nach Kolumbien steht bevor. Dazwischen liegt eine für uns unvergessliche Zeit mit eindrücklichen Bildern, Begegnungen und Erlebnissen. Wir haben Chile und Argentinien als wunderbare Reisedestinationen kennen gelernt, die an verschiedenen Landschaften und gewaltiger Natur kaum zu überbieten sind. Die Menschen hier sind vielleicht etwas verschlossen und auf  ein enges Familienleben bedacht, doch sehr freundlich und hilfsbereit. Ihre Geschichte und Kultur bilden einen spannenden Hintergrund. Neben der Vorfreude auf Kolumbien gesellt sich auch einen rechten Klecks Wehmut, weil die Zeit hier nun um ist.

Leider kommt der Schluss etwas anders, als wir ihn uns vorgestellt haben. Fünf Minuten vor dem Verlassen des Hostels und dem Aufbrechen zum Flughafen wird im Eingangsbereich des Hostels Kerstin’s Bauchtasche gestohlen. Pass, Handy, Bank- und Kreditkarten und einiges an Bargeld sind weg und das Flugzeug fliegt ohne uns nach Bogotá. In den folgenden Tagen beschäftigen wir uns mit der chilenischen Polizei – eine eher mühsame Angelegenheit -, Botschaft, Versicherung und dem Reisebüro. Wann die Reise weitergehen kann, ist noch offen – wir hoffen auf das Beste!

 

Fotos Córdoba & Mendoza

Details zur Route

 

 

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