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Bogotá & Zona Cafetera

3. – 11. Mai 2012

 

Die letzten drei Tage in Chile stehen unter einem schlechten Stern und sind einfach nur kompliziert und mühsam. Wegen Kerstin’s Passverlust durch den Täschli-Diebstahl im Hostal drei Stunden vor Abreise können wir den im ATW-Ticket enthaltenen Flug nach Bogotá nicht antreten und müssen für Pass- und Flugersatz sorgen. Auf der ursprünglichen Route würde es für uns aufgrund ausgebuchter Flüge auf der direkten Strecke erst in drei Wochen weitergehen, was nicht in Frage kommt. So lassen wir unser Ticket umschreiben und können mit einem neuen, provisorischen Pass im Gepäck mit drei Tagen Verspätung am 3. Mai mit Zwischenstopp in Lima in die Hauptstadt Kolumbiens fliegen. Bogotá hat zur Zeit etwa so viele Einwohner wie die Schweiz und liegt im Gebiet der nördlichen Ausläufer der Anden auf gut 2600 Meter über Meer. So erstaunt es auch nicht, dass die Temperaturen im Mittel das ganze Jahr über zwischen 5 und 17 Grad schwanken – eine eher kühle Angelegenheit.

Was uns sofort auffällt, sind die mit Menschen und gelben kleinen Taxis verstopften Strassen und ein Heer an roten Bussen. Die Idee eines U-Bahnsystems wurde nach einer 30jährigen Debatte im Jahr 2000 beendet und stattdessen ein oberirdisches Busnetz mit einer unglaublichen Anzahl von 1290 Bussen auf separaten Fahrspuren gebaut – der TransMilenio befördert Bogotá. Erste Station hier ist für uns der Besuch bei der bereits dritten Schweizer Botschaft in Südamerika, um einen neuen biometrischen Pass für Kerstin zu beantragen. Den benötigt sie beim Abschluss der Weltreise für die Einreise in die USA. Ihr alter gestohlener Pass wäre USA-einreisekonform gewesen. Nachdem wir nun alle bürokratischen Nachwehen des Diebstahls beseitigen konnten, können wir uns endlich auf unser neues Reiseland Kolumbien konzentrieren.

Kolumbien tönt nach Paramilitärs und Drogenhandel, Entführungen von Zivilisten und Bürgerkrieg. Tatsächlich besitzt das Land eine sehr aufgewühlte Vergangenheit mit Unabhängigkeits- und Bürgerkriegen und einer zwischen 1946 und 2008 hohen Aktivität von Guerillas und paramilitärischen Gruppierungen wie die FARC, M-19 und ELN. Entstanden wegen den grossen Unterschieden zwischen arm und reich und finanziert mit Geldern aus dem Kokainhandel. Solche Formationen haben sich unterdessen aufgrund harter Bekämpfung mit Unterstützung der USA oder kontroversen Immunitätsangeboten seitens der Regierung für Kriegsverbrecher aufgelöst oder in den tiefen Dschungel an der Landesgrenze zu Panama zurückgezogen und sind kaum mehr aktiv. Was allerdings noch aktiv ist, ist der Export von Kokain – etwa 70% des weltweiten Bedarfs stammt aus Kolumbien. Das Land ist heute, mit Ausnahme von wenigen Gebieten, eine sichere Reisedestination. Und eine attraktive dazu: Vielfältige Landschaften mit langen Küstenstreifen, Vulkanen, Urwald und den nördlichen Ausläufern der Anden, eine unglaublich reiche Pflanzen- und Tierwelt und eine fröhliche, warmherzige Bevölkerung mit einem rechten Touch Karibik warten auf den Reisenden. In Bogotá bleiben wir allerdings nicht länger als nötig. Das Quartier La Candelaria mit sorgfältig restaurierten 300 Jahre alten Kolonialhäusern und die hippen Strassen voller Ausgangfreudiger in der Zona Rosa bleiben für uns die beiden einzigen Sehenswürdigkeiten.

Am übernächsten Tag steuern wir Manizales an. Auf der Fahrt sticht uns als Erstes das üppige Grün dicht bewaldeter Hügel ins Auge. Bananen-, Mango- und später Kaffeeplantagen säumen links und rechts die Strasse. In dieser mittelgrossen Stadt gleicht die Bebauung der unglaublich hügeligen Umgebung der Zucker-Verzierung eines unförmigen Gugelhopfs. Es gibt hier keine 20 horizontale Meter sondern ständig geht es bergauf oder -ab. Manizales liegt in der Nähe des Nationalparks Los Nevados und in der Zona Cafetera, dem Haupt-Kaffeeanbaugebiet Kolumbiens. Wie wir bald erfahren, ist der Nationalpark wegen Aktivität des Vulkans El Ruiz zur Zeit geschlossen. 1985 ist er das letzte Mal ausgebrochen und riss über 22000 Menschen in den Tod. So bleiben wir dem Ungeheuer fern und beschäftigen uns stattdessen mit Kaffee. Anders als zum Beispiel Venezuela exportiert Kolumbien als grösstes (legales) Exportgut seine gesamte Menge erstklassiger Arabica-Bohnen ins Ausland, damit dort Mr. Clooney und Co. einen wunderbaren Espresso schlürfen können. Die hiesige Bevölkerung trinkt paradoxerweise in der Regel zweitklassigen Instantkaffee. So muss man muss sich zu einer Filiale des schnauzbärtigen Juan Valdez begeben, der dasselbe Geschäftsmodell wie Starbucks verfolgt, um eine gute Tasse Kaffee zu erhalten. Unweit von Manizales besuchen wir eine Kaffeefarm und bekommen dort eine tolle Führung und alle Schritte, von der Zucht des kleinen Pflänzchens über das Schälen der Bohnen bis zum fertigen Espresso, erklärt. Der mit neun Jahren jüngste Spross der Familie trinkt bereits Kaffee – schwarz und mit fünf Briefchen Zucker.

Nach Córdoba, Mendoza, Santiago, Bogotá und schliesslich Manizales haben wir für den Moment definitiv genug von (Gross-)städten, Abgas, Lärm und Hektik und es zieht uns regelrecht aufs Land hinaus. Auf einer Hacienda mit angegliedertem Bauernbetrieb, die in einer anderen Ecke der Zona Cafetera liegt, spüren wir förmlich wie unsere Lebensgeister neu erwachen. Rundherum nur grüne Hügel so weit das Auge reicht. Hier lassen wir ein paar Tage die Seele baumeln und unternehmen eine Wanderung ins angrenzende wunderschöne Valle de Cocora. Hier ragt der Nationalbaum Kolumbiens, die Quindio-Wachspalme, bis zu 60 Meter in die Höhe. Zusammen mit den tiefgrün leuchtenden Hügeln und lautlos vorbeiziehenden mystischen Nebelschwaden eine atemberaubende Landschaft! Gross ist die Überraschung und Freude, als Kerstin eines Abends von der Schweizer Botschaft in Santiago eine Email bekommt. Ihr geliebter Pass voller Stempel und Visas wurde gefunden, auf der Botschaft abgegeben und befindet sich bereits auf dem Postweg nach Hause. So endet der mühsame Diebstahl in einer Art Happy End und bleibt als „bereichernde“ Reiseerfahrung in unserer Erinnerung zurück.

Vom tiefen Landesinnern geht’s als Nächstes an die karibische Küste im Norden des Landes. Die Reise dorthin machen wir statt mit dem Bus in drei Tagesetappen zum selben Preis in wenigen Flugstunden.

 

Fotos Bogotá & Zona Cafetera

Details zur Route

 

 

1 comment

  1. Grosspapa Jack 15. Mai 2012 at 17:07

    Das ist aber Pech mit Kerstins Pass. – Momentan bin ich mt USA „bescäftigt“: Patrick, Irmis Enkel ist in Ockland – San Franzisco – auf einer Ausbildungsreise. Da weckt er viele Erinnerungen an unsere Aufenthalte in Californien. Wann seid Ihr in New York. Ich bin gespannt auf Euren Bericht.

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